'DIE! German ANGST' Ausstellung der Leerraumpioniere

Für das neueste Projekt der Leerraumpioniere durfte ich ganz besondere Künstler-Portraits erstellen. Ziel war es, die Künstler*innen in ihrer dekadentesten, prunkvollsten & vornehmsten Form darzustellen.

Die Ausstellung/Vernissage

Im Alten Hafen, hinter dem Kulturspeicher in Würzburg versammeln sich am 14.06.2019 um 20 Uhr einige Hundert interessierte Besucher.  Sie erfreuen sich an kostenlosem Sekt und der abendlichen Junisonne. Nach 30 Minuten ertönt das Horn der Arte Noah, dem Schiff auf dem die Ausstellung stattfindet. Kurz darauf treten die Pioniere zum ersten Mal vor die Augen der wartenden Besucher, besser gesagt, sie stürzen sich in voller Montur gemeinsam in den Main und schwimmen zu den Zuschauern.

Dort angekommen kämpfen sie sich aus den Fluten und trotten mit triefenden Klamotten an allen Schaulustigen vorbei, hinein in das Schiff. Die Massen folgen ihnen intuitiv.

Im vorderen Teil der Ausstellung werden die Besuch

er von meinen Fotografien empfangen. Junge Damen auf Pelzen und deren priviligierte Genossen/innen in ähnlichen Szenarien.

Sobald sich alle im Ausstellungsraum versammelt haben, beginnt Philipp Glöggler seine eindringliche Rede, die erstmals Details über die Mission verraten sollte.

 

“[…]Mit dieser Ausstellung beschreiten wir neue Wege, weg von reiner Kuration, hin zur aktiven Gestaltung des künstlerischen Prozesses. „Wieso?“ darf nun zurecht gefragt werden, nun ja lassen sie es uns so erklären:

„Wir können diese Scheiße einfach nicht mehr ertragen.“

Doch später dazu mehr.

Mission #1: Membran „Die German Angst“ steht für die Notwendigkeit des Explorativen, dem scheinbar bisher Unerreichten. Doch ist nicht das, was zu erreichen ist das was animiert? Können Aussagen, die ins blaue getroffen werden, nicht spekulativ gesehen auch grün sein? Verstehen sie uns nicht falsch, ohne Sinn geht der Verstand verloren, doch braucht es nicht das

 schmerzliche Bewusstsein der subjektiven Wirklichkeit, um am Grund des gefrorenen Meeres der Realität noch ein Körnchen Hoffnung zu finden? Doch wie und wenn überhaupt warum? Einfach weiter machen, so wie immer? Wieso auch nicht, allemal bequem, doch darf der Verstand mitnichten ad acta gelegt und immer altbekannt gedacht werden. Sie verstehen, wir befanden uns in einer existentiellen Krise und was, wenn nicht der radikale Selbsterneuerungsprozess kann helfen? Um es in den Worten des Universalgelehrten Johann Wolfgang von Goethe auszudrücken: „Mit dem Wissen wächst der Zweifel“. So kam auch uns der Zweifel an allem stets Bekannten, der Neuerfindung stand also nichts mehr im Wege, vielmehr schien sie unausweichlich und nun stehen wir hier. Zugegeben nass und tropfend, doch wir stehen hier.

Auferstanden aus Ruinen präsentieren sich die Leerraumpioniere mit Mission #1: Membran, wer bist jetzt noch nicht verstanden hat, um was es geht, dem geht es anscheinend wie Herrn Seehofer, der Geflüchtete mit Handys in der Hand durch die Fußgängerzone schlendern sieht. Der Hals schwillt an es stürmt der Zorn, es kocht der Hass doch STOP bis hierhin und nicht weiter! Auf Aktion folgt Reaktion steht in den Büchern der Gelehrten, doch falsche Schlüsse zu ziehen meine werten Gäste, ist mehr als ein faux pas. Das Höhlengleichnis nach Platon lehrt uns den Schatten des Gegenständlichen nicht als Wahres anzuerkennen. Scheinbar frei doch auch geblendet sind die, die niemals NIEMALS der

Realität den Hof machen, denn es schmerzt nicht Dinge so zu sehen wie man sie gern hätte, sondern so wie sie sind. Zugegeben auch wir sind voller Scham für unsere Untätigkeit und den Nichtsnutz, den wir darstellen. Doch ein flüchtiger Gedanke drängt sich auf, springt ins Gesicht, fährt ins Gehirn und lässt den Alltag stolpernd stürzen: Die Notwendigkeit des Handelns, welche sonst vergeht. Denn schon der alte Goethe sprach: „Es hört doch jeder nur was er versteht.“

Wenn ich mich so umsehe und in ihre Gesichter blicke, dann verstehe ich sie verstehe nichts! Nichts von dem was uns so unmittelbar bewusst, deswegen: Lassen sie uns ihnen den Obolus reichen, begleiten sie uns auf der Reise über den Styx, hin zum Tod der Wirklichkeit, schreiten sie mit uns durch die Membran und begleiten sie uns  auf dem Weg zur ultima ratio: Der Erkenntnis

Zu einer Zeit, in der nationalistisches Gedankengut Gesellschaft und Politik durchzieht wie das intramuskuläre Fett ein Entrecote vom Wagyu Rind. Zu einer Zeit, in der Menschen, die Schutz und Hoffnung suchen ungeachtet im Mittelmeer ertrinken und Europa zum Erlebnisbad für die ganze Familie avanciert. Zu einer Zeit, in der Humanität eher als Wahl gesehen, denn als Prinzip geachtet wird. Zu einer Zeit, in der Menschenrechte nur für manche gelten meine Damen und Herren in dieser Zeit MUSS die Kunst politisch werden!

Sie muss den mündigen Bürger aus seinem sanften Schlaf des Alltäglichen aufrütteln, sonst hat sie ihren Zweck verfehlt, denn (entschuldigen sie die Wiederholung) Wir als Kollektiv mit künstlerisch-gesellschaftlicher Verantwortung „Können diese Scheiße einfach nicht mehr ertragen.“

Der Tag, meine ehrenwerten Brüder und Schwestern im Geiste, an dem unsere Enkelinnen und Enkel uns fragen „Und was hast du damals dagegen gemacht?“ dieser Satz, der mehr Macht als alle Regime dieser Welt zu haben scheint, auf diese Frage meine geschätzten Zuhörer*innen möchten wir mit Stolz antworten können. Deswegen lasst uns zusammen stehen gegen Rassismus, Antisemitismus, Fremdenhass und Populismus. Lasst uns zusammen auftauchen aus dem schwarzen Wasser der Unmündigkeit, lasst uns zusammen unsere Welt so gestalten, wie es uns die Moral befiehlt.

Lasst uns zusammen die Mauern der Festung Europa dort anschaulich machen, wo ihr Grund liegt, in unseren Köpfen.

DIE

GERMAN

ANGST “

 

Nach der Ansprache verschwinden die Pioniere in der Membran, zögerlich und leicht perplex folgen ihnen die ersten Zuschauer auf die andere Seite der Ausstellung. Von der hellen, warmen Gallerie werden die Besucher in eine andere Welt geleitet. Hinter der Membran aus Matratzen erwartet sie eine kalte, dunkle, mittelmeerartige Installation mit wackeligem Boden, Stroboskop, tösendem Wind, Nebel und nur einem einzigen vertikalen Display am Ende des Horizonts. Das Display zeigt Instagram-Clips einer High Society Party.

 

Die Ausstellung ist noch bis zum 10 Juli auf dem Kunstschiff Arte Noah zu sehen.